Beton und Betonwerkstein als prägendes Gestaltungselement
„Wine meets Architecture“ – nach diesem Konzept entwickelte Architektin und Tochter des Hauses, Jil Bentz von Studio Jil Bentz, einen spektakulären Erweiterungsbau für die „Domaine Claude Bentz“, eine traditionsreiche luxemburgische Kellerei mit Sitz im beschaulichen Moselstädtchen Remich. Entstanden ist ein futuristisch anmutendes Gebäude, das in seinem Innern dennoch ganz bodenständig daherkommt. Dies liegt nicht zuletzt am fugenlosen Betonboden in Terrazzo-Optik, der mit seinen Zuschlägen aus Moselsand und Moselkiesel dem Besucher den Eindruck vermittelt, „mitten in der Mosel zu stehen“.
Wer in Remich vom Tal der Mosel kommend auf der Route de Mondorf den Hang hinauffährt, dem springt sie sofort ins Auge. Die kronenartige und metallisch glänzende Dachkonstruktion erinnert eher an die Hamburger Elbphilharmonie, als an ein luxemburgisches Weingut.
Dabei sind viele der gestalterischen Elemente des Gebäudes zunächst einem ganz profanen Grund geschuldet. Da der wunderschöne und bei Kunden so beliebte große Garten hinter den Bestandsgebäuden keinesfalls bebaut werden sollte, stand für den Erweiterungsbau einzig ein zwar in seiner Länge beachtlicher, dafür aber eher schmaler Streifen entlang der Straße zur Verfügung. Entstanden ist so ein rund 75 Meter langes Gebäude mit einer Breite von 11 Metern. Die ins Auge fallende Dachkonstruktion greift das Thema der lebendigen Dachlandschaft des Bestandsgebäudes auf und setzt sie auf eine ganz eigene Weise um. Im Erdgeschoss findet sich alles rund um die Verkostung und den Verkauf des Weines der Domaine – bis hin zu einem lichtdurchfluteten Verkostungs- bzw. Veranstaltungsraum mit Blick auf die bereits oben erwähnten Gärten des Weinguts.
Die Domaine Bentz, die von dem studierten Önologen Claude Bentz in dritter Generation geführt wird, baut auf 16,5 Hektar klassische Edelsorten wie Riesling, Pinot Gris, Auxerrois, Pinot Blanc und Gewürztraminer an. Dank der hohen Qualität seiner Weine darf das Weingut als offizieller Lieferant auch den luxemburgischen Hof versorgen. Die Räume im Obergeschoss des Erweiterungsbaus dienen als Büro für das Architekturstudio.
Barockes Architekturmittel neu definiert
Auch wenn man es dem zeitgenössischen Gebäude von außen nicht ansieht – in seinem Innern finden sich auch ganz „klassische“ architektonische Elemente. So griff Jil Bentz bei der Besucherführung von der hinter dem Eingang liegenden Vinothek bis in dem am Ende des Gebäudes liegenden Veranstaltungsraum auf ein Architekturmittel zurück, welches bereits im Barock entwickelt wurde: die Enfilade. Ursprünglich gemeint ist damit die Aneinanderreihung von Räumen zu einer Zimmerflucht, wobei die Türöffnungen exakt gegenüberliegen.
Die Enfilade wurde in Frankreich entwickelt und fand beim Bau repräsentativer Profanbauten wie Schlössern und Herrenhäusern Verwendung. Die Blütezeit der Enfilade war die Epoche der Barockschlösser, wobei das wohl berühmteste Beispiel das Schloss Versailles des französischen „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. ist. Barocke Formen wie in Versailles findet man in dem Remicher Gebäude allerdings nicht und auch die Enfilade wurde hier – speziell über das Tragwerk – ganz neu definiert. Entstanden ist dabei eine räumliche Sequenz bestehend aus vier um 45° gedrehten Quadraten mit gleichlaufenden Fluchten an Boden, Wand und Decke. So sollen die Besucher, die das Gebäude von vorne nach hinten durchschreiten beim „langen“ Gang durch das Gebäude „eine räumliche Sequenz erleben“ – so Jil Bentz – und zugleich durch die großen Fensterflächen den „schönen Blick nach außen“ in den Garten und auf die Bestandsgebäude genießen können.
Konsequente Materialität schafft hohe Authentizität
So wie das Dach und die Außenfassade von Metall und Glas geprägt werden, so prägend ist im Eingangs- und Innenbereich das Material Beton. Wände, Säulen, Theken und nicht zuletzt der Boden aus Beton sorgen hier mit ihrer konsequenten Materialität für ein authentisches Erscheinungsbild. Die Materialität soll zugleich eine Verbindung zum Wein und dessen Herkunft herstellen; denn – so Jil Bentz – beiden Produkten gemeinsam ist ihre „Mineralität“. Ganz besonders kommt diese beim fugenlosen Terrazzoboden zum Ausdruck.
Zum Einsatz kam hier mit Dyckerhoff Terraplan ein monolithischer, geschliffener Betonboden der dank seiner feinen und ebenen Oberfläche und seiner großen, fugenarmen Felder optisch dem klassischen Terrazzo ähnlich ist. Für die stets einzigartige Optik eines Terraplan-Bodens ist die individuell wählbare Gesteinskörnung entscheidend. In Remich entschied man sich – wie bereits eingangs erwähnt – ganz bewusst für die regionalen Komponenten Moselsand und Moselkiesel. Da diese durch das Schleifen auf der Oberfläche des Betons deutlich erkenn- und sichtbar sind, soll – wie bereits eingangs erwähnt – der Besucher den Eindruck bekommen, „mitten in der Mosel zu stehen“.
Dazu Jil Bentz: „Nicht nur verarbeiten wir somit einen Rohstoff aus der Umgebung, sondern betonen die mineralische Atmosphäre der Räume, die in enger Verbindung mit der Vinifikation stehen sollen“.
Der Beton der Festigkeitsklasse C35/45 wurde auf Basis von Dyckerhoff Weiss hergestellt. Eingebaut wurde das elegante geschliffene Betonbodensystem mit einer Fläche von insgesamt 880 m² (Innen 550 m², Außen 330 m²) von der Firma R. Bayer Betonsteinwerk aus Blaubeuren in einer Konstruktionshöhe von 8 cm. Die benötigten 70 m³ Terraplan-Beton lieferte das Transportbetonwerk Bétons Feidt aus dem luxemburgischen Howald.
Die einzigartige Optik des Betonbodens setzt sich auch in weiteren Betonelementen fort. Am beeindruckendsten ist dabei der vor dem Treppeneingang stehende, spitz zulaufende Brunnen. Er wurde im Fertigteilwerk Munderkingen der Fa. Bayer nach derselben Rezeptur in einem Stück gefertigt.
Anschließend wurde das massive, 12 Tonnen wiegende Teil nach Remich transportiert und aufgestellt und bildet nun einen imposanten Blickfang für jeden Besucher. Im selben Fertigteilwerk hergestellt wurden auch die Treppenstufen neben dem Brunnen zum Haupteingang sowie die Treppen im Außenbereich an dem zur Straße hin liegenden Hang bzw. die im Innern in das obere Architekturbüro führenden Treppen.
Auch die Betonrezeptur der Wände und Decken orientiert sich am Boden und enthält ebenfalls Moselkies. Mit einer entsprechenden Schalung sowie dem späteren Sandstrahlen wollte man hier allerdings im Gegensatz zum Boden dafür sorgen, dass die Oberflächen nicht glänzend, sondern matt wirken.
Der Rohbau des Gebäudes wurde vom luxemburgischen Bauunternehmen Kuhn Bau S.A. hergestellt. Die Fertigteile kamen aus dem Fertigteilwerk Bétons Feidt in Medernach, der hierbei eingesetzte CEM I 52,5R Zement wurde vom Dyckerhoff Werk Geseke geliefert. Ebenfalls aus Geseke kam der CEM II/A-LL 42,5R Zement, den das Transportbetonwerk von Bétons Feidt in Howald in dem nach Remich gelieferten Ortbeton für die grauen Deckenelemente einsetzte.
Puristisches Innendesign
Das Interieur in dem Erweiterungsbau ist bewusst puristisch gehalten. Dies gilt auch für die Präsentation der Weine, die beispielsweise in Form einzelner Flaschen vor den Betonwänden mit entsprechenden Lichteffekten perfekt in Szene gesetzt werden und so ganz für sich sprechen. Verkostet werden sie an ebenfalls aus Sichtbeton gestalteten Theken, die mit ihrer klaren Formensprache gleichfalls Stil und Eleganz vermitteln.
Hergestellt wurden sie von dem Luxemburger Unternehmen Stayconcrete, einem erfahrenen Spezialisten für den Werkstoff Beton sowie individueller Konzepte im Innenausbau. Der Beton basiert auf der Verwendung von Dyckerhoff Flowstone, einem innovativen Hochleistungsmörtel zur Herstellung von hochwertigen Betonerzeugnissen. Mit ihrer anthrazitfarben glänzenden, geschliffenen Arbeitsplatten bilden die Theken dabei einen bewussten Kontrast zu dem hellen Terrazzoboden.
Geplant wurde der spektakuläre Erweiterungsbau für die Domaine von der Architektin Jil Bentz (2te von links). Rechts neben ihr Schwester Carole Bentz und Vater Claude Bentz, die beide gemeinsam das Weingut leiten. Links Richard Bayer, Inhaber der Firma R. Bayer Betonsteinwerk aus Blaubeuren, in deren Händen sowohl die Herstellung des Terraplanbodens, als auch aller weißer Betonfertigteile wie Brunnen, Stufen und Außenbeläge lag.